top of page

GLOSSAR FÜR „AGRARÖKOLOGIE UND INTERNATIONALEN HANDEL“

AGRARÖKOLOGIE bezeichnet eine soziale Bewegung, wissenschaftliche Disziplin und landwirtschaftliche Praxis. Verbindendes Element ist die Anpassung der Landwirtschaft an natürliche Gegebenheiten und Kreisläufe sowie an lokale Bedürfnisse. Traditionelles Wissen wird dabei mit modernen, wissenschaftlichen
und technologischen Methoden verknüpft.*

 

BESTÄUBER sind alle Tiere, die dabei helfen, Pollen vom männlichen Teil der Blüte zum weiblichen Teil der gleichen oder einer anderen Blüte zu befördern. Die Bewegung des Pollens ist notwendig, damit Pflanzen befruchtet werden und Früchte, Samen und Jungpflanzen entstehen können.
 

BIODIVERSITÄT beschreibt die biologische Vielfalt oder Artenvielfalt.*

Der CO2-FUßABDRUCK bezieht sich auf die Menge an Kohlendioxid (CO2)-Emissionen, die durch die Aktivitäten einer Person, Organisation, Veranstaltung oder einer Dienstleistung verursacht wird. Er umfasst einerseits die direkten Emissionen, die z. B. durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe im Verkehr entstehen. Außerdem zählen aber auch indirekte Emissionen zum CO2 Fußabdruck, die z. B. aufgrund des Stromverbrauchs für die Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen anfallen.
 

ERNÄHRUNGSSOUVERÄNITÄT beschreibt das Recht aller, über die Art und Weise mitzubestimmen, wie unsere Lebensmittel erzeugt, verteilt und gegessen werden. Dabei geht es um eine sozial gerechte und zukunftsfähige Art der Landwirtschaft.*
 

Das GEMEINWOHL ist etwas, das allen gehört oder von allen geteilt wird (wie saubere Luft und Wasser). Etwas für das Gemeinwohl zu tun, bedeutet, etwas zum Nutzen aller Menschen in einer Gesellschaft zu tun.
GLOBALER NORDEN / GLOBALER SÜDEN sind nicht geografisch gemeint, sondern beziehen sich auf Länder in unterschiedlichen weltpolitischen und wirtschaftlichen Positionen. Sie verweisen außerdem auf die gegensätzlichen Erfahrungen mit KOLONIALISMUS und AUSBEUTUNG, die der heutigen Zuordnung zugrunde liegen. Globaler Süden beschreibt Länder und Orte in einer im globalen System benachteiligten gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Position. Globaler Norden hingegen meint eine mit Vorteilen bedachte, privilegierte Position.*

 

GREENWASHING bedeutet, dass ein Unternehmen oder eine Organisation sich zu Marketingzwecken als umweltbewusst und nachhaltig darstellt – ohne in Wirklichkeit so zu handeln.
 

GUTES LEBEN FÜR ALLE ist ein Konzept, welches ein solidarisches Zusammenleben aller Menschen in respektvollem Umgang mit der Mitwelt beschreibt. Es wird durch eine solidarische Lebensweise ermöglicht und stellt ein alternatives Konzept zu den westlichen Entwicklungsmodellen dar, die auf Wirtschaftswachstum und materiellen Wohlstand setzen. Das Konzept ist angelehnt an die Philosophie des Buen Vivir der INDIGENEN Kulturen der Andenländer.*

——
* Zitiert aus bzw. basierend auf den Publikationen des I.L.A.-Kollektivs: “Auf Kosten der anderen? Wie die imperiale Lebensweise ein gutes Leben für alle verhindert” (2017) und “Das Gute Leben für Alle. Wege in die solidarische Lebenseise” (2019)
** Basierend auf den Texten des #YoungMuseum des GRASSI Museums für Völkerkunde zu Leipzig.

INDIGENE sind Nachfahren der ersten Siedler*innen einer Region. Der Begriff betont die Selbstidentifikation einer kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und teilweise sogar sprachlichen Andersartigkeit von der nationalen Gesellschaft. Spezifische Menschenrechte für indigene Völker garantieren Rechte auf Selbstbestimmung und das eigene Territorium.*

 

INDUSTRIELLE LANDWIRTSCHAFT zielt auf Effizienz, statt auf tier-, umwelt- und menschengerechte Erzeugung ab. Sie ist durch Monokulturen, Massenproduktion und den Einsatz chemischer Düngemittel gekennzeichnet. Diese Form der Landwirtschaft wird eher von großen Agrarkonzernen als von kleinbäuerlichen Höfen betrieben und dient häufig dem Export statt der regionalen Versorgung.*
 

KLIMAGERECHTIGKEIT bedeutet, dass Länder, die die Hauptverantwortung an der Erderwärmung tragen, auch global für ihre Folgen einstehen müssen. Insbesondere die globalen Ober- und Mittelschichten treiben den Klimawandel voran. Die Konsequenzen spüren jedoch vor allem Menschen, die verhältnismäßig wenig zur globalen Erwärmung beitragen. Aktuell leiden vor allem die Bevölkerungen des GLOBALEN SÜDENS unter den Auswirkungen der KLIMAKRISE – trotz ihres geringen Beitrags zur Erderwärmung.**
 

KLIMAKRISE beschreibt die Folgen der Erderwärmung durch den starken CO2-Ausstoß bestimmter Länder. Schon seit Jahren sind die zunehmenden Dürren oder Überschwemmungen vor allem für Länder im GLOBALEN SÜDEN spürbar.**
 

LAND GRABBING (deutsch: Landnahme) ist der umgangssprachliche Begriff für das wachsende wirtschaftliche Interesse an landwirtschaftlichen Flächen und der damit einhergehenden Zunahme an groß angelegten Landgeschäften weltweit. Diese sind zwar nicht unbedingt illegal, trotzdem fehlt häufig die demokratische Kontrolle über den Zugang zu Land.*
 

NACHHALTIGKEIT bedeutet, dass die heutigen Generationen von Menschen ihre Bedürfnisse auf eine Art und Weise befriedigen, die die Bedürfnisse künftiger Generationen nicht beeinträchtigt (z. B. durch Erschöpfung der Nahrungsquellen oder Zerstörung der Luftqualität).
 

PERMAKULTUR ist ein Ansatz der Landwirtschaft und Bodennutzung, der sich auf nachhaltige und von Pestiziden weitgehend unabhängige Weise mit Ökosystemen befasst. Permakultur lässt sich von natürlichen Ökosystemen inspirieren und konzentriert sich auf Pflanzenvielfalt und die Widerstandsfähigkeit natürlicher Systeme. Permakultur basiert auf einem ganzheitlichen Denken und einer Überzeugung, die Natur und menschliche Aktivitäten als zusammenhängend versteht. Sie geht über den Bereich der Landwirtschaft hinaus und berücksichtigt z. B. auch das Wohlergehen menschlicher Gemeinschaften. Häufig wird der Begriff im Gegensatz zur INDUSTRIELLEN LANDWIRTSCHAFT verwendet.

 

Die PHILOSOPHIE DER GUTEN LEBENSMITTEL ein Oberbegriff, der in einigen Teilen Europas, wie z. B. in Slowenien, zusammenfassend für Konzepte wie Agrarökologie, regenerative Landwirtschaft und Ernährungssouveränität verwendet wird. Der Grundgedanke ist, dass Lebensmittel gut sein sollten für:
• die Umwelt (aufgrund der Art und Weise, wie sie produziert werden)
• ihre Produzent:innen (die von der Gesellschaft für ihre wichtige Arbeit Anerkennung finden und mehr Lohn erhalten)
• die lokale Wirtschaft
• die Verbraucher:innen und ihre Gesundheit

 

Eine SUBVENTION ist ein Geldbetrag, der von einer Regierung oder einer anderen Behörde an eine Industrie oder ein Unternehmen gezahlt wird, um den Preis für deren Waren oder Dienstleistungen niedrig zu halten.
 

ZOLL-ESKALATION beschreibt eine Zollpolitik, die häufig von wirtschaftlich stärkeren Nationen angewandt wird. Nationen oder gemeinsame Märkte – wie z. B. die Europäische Union – erheben in der Regel Zölle auf ausländische Waren. Im Fall der Zolleskalation erheben sie keine oder niedrige Zölle auf unverarbeitete Produkte (wie rohe Kaffeebohnen), aber hohe Zölle auf verarbeitete Produkte (wie gerösteten Kaffee).

Auf diese Weise können z. B. viele afrikanische Länder ihre rohen Kaffeebohnen problemlos in die EU verkaufen. Entscheiden sie sich jedoch dafür, geröstetenn Kaffee in die EU zu exportieren, wird dies aufgrund der höheren Zölle auf verarbeiteten Kaffee unrentabel.
 

Das führt dazu, dass ärmere Länder die billigeren rohen Kaffeebohnen in die EU verkaufen, während Unternehmen in der EU diese Kaffeebohnen rösten und den teureren gerösteten Kaffee an andere Länder verkaufen. Dank dieses Mechanismus ist Deutschland der viertgrößte Exporteur von Kaffee weltweit. Tansania, wo der Kaffee angebaut wird, findet sich hingegen „nur“ auf Platz 28 der Kaffeeexport-Rangliste.


Das bedeutet, dass die Kaffeeindustrie in Deutschland viel mehr Geld verdient als die Kaffeeindustrie in Tansania. Auch wenn diese Politik noch weitere Details aufweist (sogenannte „am wenigsten entwickelte Länder“ sind oft von der Zahlung von Zöllen befreit, können aber dennoch mit nichttarifären Handelshemmnissen konfrontiert sein, wie z. B. der Einhaltung kostspieliger Vorschriften), ist die Zolleskalation eine Politik, die den GLOBALEN NORDEN wirtschaftlich stärkt und den GLOBALEN SÜDEN wirtschaftlich schwächt.
——

bottom of page